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A-2.3.4 Auswertung von Luftbildern

1 Einleitung

Luftbilder sind eine grundlegende Informationsquelle und somit ein notwendiges Hilfsmittel für die Erkundung von (historisch bedingten) Kampfmittelbelastungen. Bei der Planung und Durchführung einer Auswertung von (historischen) Luftbildern ist eine Reihe von spezifischen Randbedingungen zu berücksichtigen. Hierzu werden in den folgenden Abschnitten Hinweise gegeben.

 

2 Auswahl des Bildmaterials

2.1 Luftbildzeitschnitte

Vor der Auswahl und Beschaffung von Luftbildern ist die zeitliche Spezifizierung der relevanten Zeiträume, in denen luftbildsichtige Hinweise auf kampfmittelrelevante Objekte (Bauwerke, Anlagen etc.) oder Ereignisse (Luftangriffe, Kampfhandlungen etc.) zu erwarten sind, notwendig.

  • Die Zeitpunkte der Luftangriffe können meistens auf Basis der Auswertung von Archivalien alliierter Luftstreitkräfte und ergänzender Sekundärliteratur hinreichend genau festgestellt werden. Die Informationen werden in Form einer Angriffschronik dokumentiert. Mit ihrer Hilfe kann ggf. die Luftbildauswahl auf Luftbildflüge eingeschränkt werden, welche möglichst zeitnah nach den Luftangriffen liegen müssen.
  • In wenigen Fällen kann die Auswahl geeigneter Zeitpunkte von Bildflügen für die Identifizierung kampfmittelrelevanter Objekte schwierig oder unmöglich sein. Dies trifft z. B. zu, wenn Kampfmittelfunde bekannt sind, welche keinem Angriffsereignis zugeordnet werden können. Wenn sich für spezifische Fragestellungen keine temporalen Anhaltspunkte ergeben, sind Luftbilder nach dem Kriterium „hinreichende Detailerkennbarkeit“ (Maßstab, fotografische Qualität), also alle grundsätzlich geeigneten Bilder, zu beschaffen. Einzig bei Abdeckungen mit sehr dichter Befliegungsfolge von wenigen Tagen oder Wochen ist nach ökonomischen Gesichtpunkten abzuwägen, ob tatsächlich bei allen Bildflügen ergänzende Informationen zu erwarten sind und folglich alle prinzipiell geeigneten Bildflüge beschafft und betrachtet werden müssen.


Eine Vorauswahl von Luftbildern ausschließlich auf Basis beschreibender Informationen (d. h. Flugdatum, Maßstab, Qualität) birgt in beiden Fällen Unsicherheiten:

  • Insbesondere in den Kriegsjahren 1944 und 1945 wurden verstärkt Verteidigungsanlagen errichtet, welche aufgrund intensiver Kriegseinwirkungen nur kurzfristig bestanden und somit auch nur für einen relativ kurzen Zeitraum luftbildsichtig erkennbar sind.
  • Der Bildflug, welcher zeitlich am dichtesten hinter dem Angriffsereignis liegt, muss nicht zwangsläufig der am besten geeignete sein. Auch wenn die i. d. R. verfügbaren Bildparameter wie Flugdatum, Qualität und Abdeckung günstig erscheinen, ist es möglich, dass dieser Flug z. B. geometrische Mängel (starke Verkantung der Flugachse(n)) oder eine unzureichende Stereoüberdeckung aufweist und somit für eine fundierte Luftbildauswertung wenig geeignet sein kann.

Im konkreten Einzelfall ist jeweils zu prüfen, ob es geboten ist, bereits zum Projektbeginn weitere „Pufferflüge“ oder sogar alle grundsätzlich geeigneten Bildflüge zu beschaffen, da dies insgesamt wirtschaftlicher sein kann. Dies gilt insbesondere, wenn ein kurzfristiger Projektabschluss erforderlich ist. Eine ergänzende Beschaffung von Luftbildern umfasst in der Regel eine Lieferzeit von mehreren Wochen bis 2 Monate.


2.2 Abdeckung, Untersuchungsgebiet

Für das gesamte Untersuchungsgebiet ist eine stereoskopische Luftbildabdeckung, soweit diese verfügbar ist, notwendig. Für Untersuchungsgebiete mit deutlichen topographischen Veränderungen (z. B. komplette Neubebauung) ist es erforderlich, Luftbilder aus den Randbereichen des U-Gebietes, soweit verfügbar, mit zu beschaffen. Dabei muss die Abdeckung soweit reichen, bis stabile topographische Merkmale oder nach wie vor existente Bauwerke zur Orientierung verwendet werden können. Dies ist in der Praxis der Luftbildorientierung erforderlich, da somit äußere Luftbilder orientiert und für die Referenzierung der inneren Bilder in einem Bildverbund herangezogen werden können. Hierfür sind die entsprechenden Verfahren der Photogrammetrie (vgl. A-2.3.2 und A-9.2.4) einzusetzen.

 

3 Durchführung der Auswertung

3.1 Spezifizierung von Auswertezielen

Die genaue Festlegung der Ziele der Luftbildauswertung ist ein wichtiger Schritt der Beauftragung, da der Kartierungsaufwand deutlich in Abhängigkeit dieser Ziele variieren kann. Soll eine Bestands- und/oder Situationskartierung durchgeführt werden, müssen Erfassungskategorien vorgegeben werden. Die relevanten Kategorien sind in der Regel folgende Verursachungsszenarien einer Kampfmittelbelastung (vgl. A-2.1.4 „Verursachungsszenarien“):

  • Luftangriffe,
  • Bodenkämpfe,
  • Munitionsvernichtung,
  • Militärischer Regelbetrieb,
  • Munitionsproduktion und -lagerung.


3.2 Technische Voraussetzungen

Die technischen Grundlagen für eine lage- und grundrissgetreue Kartierung von Luftbildern sind in A-2.3.2 und A-9.2.4 (TS) „Photogrammetrie: Luftbildorientierung und technische Grundlagen der Luftbildstereoauswertung“ beschrieben. Sofern die Verortung der Auswerteergebnisse eine untergeordnete Bedeutung hat und eine qualitative Aussage hinsichtlich des Kampfmittelpotenzials mit Hilfe einer generalisierten Darstellung ausreichend ist, können nicht lagegetreue Verfahren zur Erfassung der Informationen angewendet werden. Dazu zählen z. B.

  • die Kartierung auf Basis von Luftbildern, die mittels affiner Transformation mit einer kartografischen Grundlage digital überlagert wurden (Verschiebung, Drehung und Skalierung eines Luftbildes, unabhängig von der Zentralperspektive und höhenbedingten Maßstabschwankungen),
  • die visuelle Übertragung von Luftbildinformationen auf eine digitale kartografische Grundlage anhand topographischer Merkmale.

Auf den Ergebniskarten ist grundsätzlich zu vermerken, dass sie keine lagegetreue Abbildung darstellen.


3.3 Thematische Aspekte

Für die Erschließung thematischer Informationen aus historischen Luftbildern gibt es gegenwärtig keine Standards, d. h. es existieren keine Kataloge mit spezifischen luftbildsichtigen Erkennungsmerkmalen von Objekten und deren Darstellung. Somit müssen alle vermeintlich kampfmittelrelevanten, luftbildsichtigen Objekte aufgrund ihres Erscheinungsbildes individuell identifiziert und kategorisiert werden. Der Informationsgehalt und die Aussagesicherheit der Auswerteergebnisse ist damit in besonderem Maße von den Fähigkeiten und der Sorgfalt des Luftbildauswerters abhängig. Grundsätzlich sind verfügbare Archivalien als Interpretationshilfe zu berücksichtigen.

Weitergehende Informationen über Erfassungskategorien der Luftbildauswertung sind den Verursachungsszenarien gem. A-2.1.4 zu entnehmen. Die Definition von Geoobjekten und deren Eigenschaften in Geoinformationssystemen zur kartografischen Dokumentation und Bewertung einer potenziellen Kampfmittelbelastung ist fallbezogen zu definieren. Vorgaben zur formalisierten Erfassung und kartografischen Darstellung der Auswerteergebnisse gibt A-9.1.4 „Kartografische Darstellungen“.


3.4 Lagegenauigkeit der Kartierung

Aufgrund der geometrischen Eigenschaften historischer Luftbilder ist die Lagegenauigkeit kartierter Ergebnisse im Vergleich zu aktuellen Luftbildern i. d. R. geringer. Die Größe der Lageabweichung ist, eine eindeutige Objektansprache vorausgesetzt, primär von folgenden Faktoren abhängig:

  • Bildmaßstab; die Lagegenauigkeit verändert sich proportional mit dem Bildmaßstab,
  • Geometrische Bildqualität,
  • Beschaffenheit, Verteilung und Menge der Bodenpasspunkte zur Orientierung der Luftbilder,
  • Angewendete Verfahren zur Luftbildorientierung.

Die Abweichung eines kartierten Objektes von seiner tatsächlichen terrestrischen Lage unterliegt demnach einer fallbezogenen, unsystematischen Schwankung. Die anzustrebende Lagegenauigkeit von 3 m wird nicht in allen Fällen zu gewährleisten sein (vgl. A-9.2.4). Aus diesem Grund ist es von Bedeutung, dass im Rahmen der Luftbildorientierung Parameter abgeleitet werden, die zumindest einen durchschnittlichen Lagefehler der zu erfassenden Objekte quantifizieren. Näheres zur Dokumentation ist der Leistungsbeschreibung (LB) A-7.2.3 „Leistungsbeschreibung Phase A – Luftbildorientierung und Luftbildauswertung“ zu entnehmen.

Die Frage, welche Luftbildmaßstäbe für welchen Kartiermaßstab geeignet sind, lässt sich pauschal nicht beantworten. Themen und Bildqualität spielen eine entscheidende Rolle. In der folgenden Tabelle werden Zielgrößen für Luftbild- und Kartiermaßstäbe aufgelistet:

 

Tab. A-2.3-6: Zielgrößen Luftbild- und Kartiermaßstäbe

Zielmaßstab der Kartierung

Luftbildmaßstab (ca.)

1:2.500

1:8.500 bis 1:13.000

1:5.000

1:12.000 bis 1:18.000

1:10.000

1:18.000 bis 1:25.000

1:25.000

1:30.000 bis 1:40.000

Kleinmaßstäbige Kartierungen können in größeren Maßstäben abgebildet werden, dabei ist jedoch der Hinweis aufzuführen, auf welcher Grundlage die Informationen erhoben wurden. Es ist deutlich zu machen, dass die dargestellten Ergebnisse nicht der geometrischen Genauigkeit der Kartengrundlage entsprechen.


3.5 Erfassung von Geodaten und Dokumentation der Luftbildauswertung

Das Zustandekommen der Auswerteergebnisse muss für den Auftraggeber nachvollziehbar sein. Die Rahmenbedingungen und Verfahrenschritte der Luftbildauswertung sind eindeutig zu dokumentieren. Dies betrifft folgende Punkte:

  • Eingesetzte Verfahren und Geräte der Luftbildauswertung,
  • Eine Auflistung aller verfügbaren Luftbilder mit beschreibenden Informationen (Bildflug, Bildnummer, Zeitschnitt, Maßstab, Qualität, Bildquelle),
  • Entscheidungskriterien für die Detailauswertung und Kennzeichnung betreffender Bilder sowie Ausschlusskriterien,
  • Beurteilung der Zuverlässigkeit der luftbildsichtigen Identifizierung potenziell kampfmittelrelevanter Objekte.


3.5.1 Einsatz von Geoinformationssystemen (GIS)

Alle thematischen Informationen der Luftbildauswertung haben einen Raumbezug. Aus den gewonnenen Erkenntnissen der Auswertung ergeben sich somit zwangsläufig Geoinformationen. Diese finden in digitaler Form als Geodaten in den folgenden Maßnahmen der Kampfmittelerkundung und -räumung Anwendung. Der Einsatz von GIS im Rahmen der Luftbildauswertung ist Stand der Technik und grundsätzlich erforderlich. Die Nutzung von Softwarelösungen aus dem grafischen Bereich (z. B. AutoCAD-Formate) zur Erfassung bzw. Lieferung von raumbezogenen Daten ist unzulässig.

Der Markt ist durch eine Vielzahl unterschiedlicher GIS-Lösungen und Geodatenformate geprägt. Konkrete Anforderungen hinsichtlich der Datenbeschaffenheit müssen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer abgestimmt werden. Die geplante Einführung offener Geodatenstandards gem. OGC (Open Geospatial Consortium) und OpenGIS-Spezifikationen kann hierfür neue Möglichkeiten eröffnen.


3.5.2 Dokumentation von Geodaten durch Metainformationen

Die Ergebnisse der Luftbildauswertung müssen in analoger und digitaler Form bereitgestellt werden. Neben der Festlegung eines geeigneten (Geo-)Datenformates ist eine Beschreibung der Daten mittels Metainformation erforderlich.

Metainformationen sind eine strukturierte Beschreibung der eigentlichen Geodaten-Bestände. Wichtige Elemente der Metainformationen zu einem Geodatensatz sind u. a. die inhaltliche Beschreibung einschließlich der Bedeutung von Attributen (Zuordnung von Sachdaten zu Geometrien), Aktualitäts- und Qualitätsangaben, das Format, der Raum- und Zeitbezug sowie die Datenquelle.

Da die Ergebnisse der Luftbildauswertung im Rahmen einer anschließenden Kampfmittelerkundung und/oder –räumung weiter verwendet werden, sind diese Metainformationen von entscheidender Bedeutung für die Nutzbarkeit der Datenbestände und damit auch für den effizienten Einsatz geographischer Informationssysteme. Metainformationen bilden quasi den Schlüssel für den Gebrauch der Daten

Die Beschreibung der Erfassung von Metadaten nach der Norm ISO 19115 ist in Vorbereitung. Vorläufig sind folgende Daten in einer ASCII-Textdatei zu erfassen:


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