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A-2.5 Methodische Vorgehensweise bei der Bewertung der Ergebnisse der Phase A

1 Einleitung

Folgende Faktoren sind für die Bewertung von mit Kampfmitteln belasteten Flächen maßgebend (s. auch Kap. 5 im Textteil dieser Arbeitshilfen):

  • jetzige und zukünftige Nutzung,
  • Sorte, Art, Lage, Menge des vermuteten, festgestellten Kampfmittels,
  • Zustand des festgestellten Kampfmittels,
  • Möglichkeit der Selbstdetonation,
  • Möglichkeit der Detonation durch Fremdeinwirkung,
  • Explosions-, Detonations- und sonstige Wirkung auf die Schutzgüter.

 

2 Grundlagen

Die Bewertung beruht auf den Ergebnissen der Historisch-genetischen Rekonstruktion und schließt die Phase A ab. Die methodischen Vorgehensweisen bei der Bewertung und der Gefährdungsabschätzung (s. Anhang A-3.3) sind vergleichbar. Bei der Bewertung der Phase A ist vor allem zu berücksichtigen, dass sie im Wesentlichen auf „weichen“ Daten der Archivalien- und Luftbildauswertung beruht. Insbesondere mögliche Einschränkungen der Recherche, die zu einer Verminderung der Aussagesicherheit führen können, sind bei der Bewertung zu berücksichtigen.

Die Informationen zur Sorte und Art sowie Lage, Menge und dem Zustand der möglicherweise vorhandenen Kampfmittel ergeben sich aus der

  • Untersuchung der Verursachungsszenarien (Anhang A-2.1.4):
    • Luftangriffe,
    • Bodenkämpfe,
    • Munitionsvernichtung,
    • militärischer Regelbetrieb,
    • Munitionsproduktion und -lagerung,
  • aus fallweise durchgeführten Geländebegehungen sowie aus
  • Erkenntnissen von in der unmittelbaren Nähe untersuchten oder geräumten Flächen.

Die naturräumlichen Standortfaktoren beeinflussen maßgeblich die Bewertung, da beispielsweise spätere Bodenbewegungen oder neue Infrastruktur zur Verlagerung oder teilweisen Beseitigung von Kampfmitteln geführt haben können. Der Erhebung der relevanten Daten kommt deshalb eine hohe Bedeutung zu.

 

3 Methodisches Konzept

Die Methodik der Gefährdungsabschätzung hat folgende Anforderungen zu erfüllen:

  • allgemein gültig,
  • wissenschaftlich fundiert,
  • nachvollziehbar,
  • robust,
  • einfach anzuwenden,
  • einfach zu aktualisieren.

Die Bewertung erfolgt schrittweise nach folgender Vorgehensweise:

1. Die kampfmittelverdächtigen Flächen (KMVF) werden - für die 5 Verursachungsszenarien differenziert - ermittelt und in Plänen dargestellt. Bereits (beabsichtigt oder unbeabsichtigt) geräumte Flächen sind bei der Ausweisung der KMVF zu berücksichtigen.

2. Durch die Recherchen werden die möglicherweise anzutreffenden Kampfmittel für jedes Verursachungsszenarium benannt. Sie werden in 7 Fundklassen eingestuft.

3. Für die weitere Betrachtung wird die höchste Fundklasse berücksichtigt.

4. Die Wirkung eines möglicherweise vorhandenen Kampfmittels kann nicht sicher abgeschätzt werden, da gesicherte Informationen zur genauen Sorte und Art, zur Bezünderung, zum Zustand und zur Tiefenlage nur in Ausnahmefällen gegeben werden können.

5. Die für die Verursachungsszenarien einzeln ausgewiesenen Kampfmittelverdachtsflächen werden den 5 Flächenkategorien (s. Textteil der AH KMR, Kap. 5) zugeordnet. Dabei werden die höchstmögliche Fundklasse und bestimmte, weiter unten dargestellte Konventionen berücksichtigt.

 

4 Kampfmittelverdächtige Flächen (KMVF)

Für die Bewertung der Ergebnisse der Historisch-genetischen Rekonstruktion wird das Grundstück daraufhin untersucht, welche der fünf Verursachungsszenarien zu einer Kampfmittelbelastung geführt haben können.

Für jedes Verursachungsszenarium sind anzugeben:

  • Lage und räumliche Ausdehnung der betroffenen Fläche,
  • Lage und räumliche Ausdehnung von möglichen Belastungsschwerpunkten (z. B. Stellungssystemen, Sprengtrichtern),
  • Sorte und Art der vermuteten Kampfmittel sowie Annahmen zur Menge, der möglichen räumlichen Verteilung (gleichförmig, ungleichförmig, punktuell konzentriert etc.) und der möglichen Tiefenlage.

Diese Informationen werden mit Daten zu durchgeführten Kampfmittelräumungen oder Bodenbewegungen, die ebenfalls zu einer Beseitigung von Kampfmitteln geführt haben können, verschnitten.

Im Ergebnis ist ein Plan vorzulegen, in dem für die fünf Verursachungsszenarien getrennt die Kampfmittelverdachtsflächen und bereits geräumte Fläche eindeutig dargestellt werden.

 

5 Fundklassen

Durch die Rekonstruktion der Ursachen, die zu einer Kampfmittelbelastung geführt haben können, werden die möglicherweise auftretenden Kampfmittel ermittelt. Je nach Verursachungsszenarium und in Abhängigkeit der Quellenlage kann das mögliche Kampfmittelspektrum mehr oder weniger differenziert und verlässlich angegeben werden.

Die einheitliche Benennung der möglichen Kampfmittel erfolgt über die Zuordnung zu Fundklassen. Sie sind analog den Fundklassen der Gefährdungsabschätzung definiert (s. folgende Tabelle Tab. A-2.5-1). Die Fundklassen werden mit den Großbuchstaben DA bis KA gekennzeichnet. Im Gegensatz zu den Fundklassen der Phase B, die konkret im Gelände aufgefundene Funde klassifizieren, wurden die Fundklassen der Phase A um den Index „A“ ergänzt. Hiermit werden Verwechselungen vermieden und klar gemacht, dass diese Einstufung auf den Ergebnissen der Historisch-genetischen Rekonstruktion beruht. Analog zu den Fundklassen der Phase B wurde der Buchstabe „I“ nicht vergeben. Auch sind die Fundklassen A bis C ohne Relevanz. Hierbei handelt es sich in der Phase B um tatsächliche Funde von Schrott. In der Phase A werden Flächen, die lediglich derartige Funde vermuten lassen, vom Kampfmittelverdacht freigesprochen und deshalb nicht weiter berücksichtigt.

 

Tab. A-2.5-1: Zuordnung der Kampfmittel zu Fundklassen

Fund-klasse

Beschreibung (Funde von … möglich)

Beispiel

Klassifizierung nach AH KMR

DA

Waffen, Waffenteile

Gewehr-, Geschützreste

Kampfmittel

EA

Kampfmittel mit Explosivstoffen ohne Zünder

10,5 cm Granate ohne Zünder, Splitter/Fragment mit Explosivstoffanhaftung

FA

Kampfmittel mit Explosivstoffen und Zünder

3,7 cm SprGr mit Zünder

GA

Kampfmittel mit Explosivstoffen und selbstdetonationsfähigem oder aufgrund mittelbarer Energiezufuhr wirkfähigem Zünder

8,8 cm PzSprGr

HA

Kampfmittel, die flüchtigen Brand-, Reiz- oder Nebelstoff enthalten

Nebeltopf, nicht ausgenebelt, Phosphorbrandbombe

JA

Kampfmittel, die strahlende Substanzen enthalten oder aus diesen bestehen

Wuchtgeschosse aller Kaliber, die als DU-Munition (depleated uranium) bekannt sind; Steuer- und Lenkteile von Flugkörpern, die derartige Substanzen enthalten.

Die Bergung, Räumung und Beseitigung derartiger Kampfmittel unterliegen besonderen Auflagen und gesetzlichen Bestimmungen.

KA

Kampfmittel, die Kampfstoffe enthalten unabhängig ob mit oder ohne Zünder

Granaten und Bomben des Ersten und Zweiten Weltkriegs, die Kampfstoffe enthalten.

Die Bergung, Räumung und Beseitigung derartiger Kampfmittel unterliegen besonderen Auflagen und gesetzlichen Bestimmungen.

Die für jedes Verursachungsszenarium vermuteten Kampfmittel werden den Fundklassen zugeordnet. Für die weitere Bewertung ist die höchste Fundklasse relevant.

 

6 Tiefenstufen

Für die Gefährdungsabschätzung der Phase B (s. Anhang A-3.3) werden die Funde zwei Tiefenstufen zugeordnet. Für die Phase A können derartige Tiefenstufen in der Regel nicht verlässlich angegeben werden. Meist sind nur vage Annahmen möglich. Eine Ausnahme besteht dann, wenn durch eine Geländebegehung Kampfmittel an der Geländeoberfläche gefunden wurden. In derartigen Fällen wird – nach Prüfung im Gelände durch eine Verantwortliche Person gem. SprengG (s. AH KMR – Textteil, Kap. 2, Definitionen) – gemäß Anhang A-3.3 häufig eine Gefahr für die Schutzgüter festzustellen sein. Ein derartiger Befund ist bei der Bewertung der Ergebnisse der Phase A besonders zu berücksichtigen.

 

7 Bewertung

Im Textteil erfolgt in Kapitel 5.2 eine Kategorisierung von kampfmittelverdächtigen und kampfmittelbelasteten Flächen:

Kategorie 1

Der Kampfmittelverdacht hat sich nicht bestätigt. Außer einer Dokumentation besteht kein weiterer Handlungsbedarf.

Kategorie 2

Auf der Fläche werden Kampfmittelbelastungen vermutet oder wurden festgestellt. Für die Gefährdungsabschätzung sind weitere Daten erforderlich. Es besteht weiterer Erkundungsbedarf.

Kategorie 3

Die festgestellte Kampfmittelbelastung stellt zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Gefährdung dar. Sie ist zu dokumentieren. Bei Nutzungsänderungen und Infrastrukturmaßnahmen ist eine Neubewertung durchzuführen. Daraus kann sich ein neuer Handlungsbedarf ergeben.

Kategorie 4

Die festgestellte Kampfmittelbelastung stellt eine Gefährdung dar, die eine Beseitigung erfordert.

Kategorie 5

Die Kampfmittelbelastung wurde vollständig geräumt.

Die sieben Fundklassen können durch die damit verbundene Beurteilung des Verdachts in die 5 Flächenkategorien überführt werden. Dafür gelten folgende Konventionen:

1. Die Flächen mit möglichen Kampfmittelfunden der Fundklassen DA bis KA werden der Flächenkategorie 2 - weiterer Erkundungsbedarf - zugeordnet.

2. Wurden für das Verursachungsszenarium „Luftangriffe“ Bombenblindgängerverdachtspunkte ausgewiesen, werden diese in die Flächenkategorie 2 eingestuft. Der Verdacht hat sich zwar noch nicht bestätigt, wurde aber wesentlich konkretisiert. Insofern sind in der Regel weiterführende Untersuchungen (z. B. Bohrlochsondierung) und unmittelbar anschließende Räumungen (gem. Technischer Spezifikation A-9.4.5 „Räumung von Bombenblindgängern“) einzuleiten.

3. Wurden die Fundklassen JA und KA ausgewiesen, ist ein vordringlicher Bedarf für eine weitere technische Erkundung festzustellen.

4. Werden Kampfmittel der Fundklassen GA, JA oder KA vermutet, können wegen des möglichen besonderen Gefährdungspotenzials besondere Schutzmaßnahmen sofort notwendig werden.

5. Wurde durch eine Geländebegehung festgestellt, dass die vermuteten Kampfmittel tatsächlich vorhanden sind und an der Oberfläche auftreten, erfolgt die Bewertung analog der Gefährdungsabschätzung (s. Anhang A-3.3). Wurde eine Gefahr festgestellt, ist die Fläche in die Flächenkategorie 4 einzustufen. Besondere Schutzmaßnahmen können kurzfristig erforderlich werden.

6. Die Flächenkategorie 3 kann dann einer Fläche zugewiesen werden, wenn besondere Hinweise und zusätzliche Erkenntnisse vorliegen, die im Einzelfall die eindeutige Ableitung ermöglichen, dass bei der jetzigen oder geplanten Nutzung keine Gefahr für die Schutzgüter zu erwarten ist. Dies kann beispielsweise bei Auffüllungen gegeben sein, die nach dem Schadenseintritt auf die Fläche aufgebracht wurden und die so mächtig sind, dass eine Wirkung der vermuteten Kampfmittel nicht zu erwarten ist.

7. Liegt ein eindeutiger Nachweis vor, dass Teilflächen bereits früher geräumt wurden, werden sie in die Flächenkategorie 5 eingestuft. Der eindeutige Nachweis bedarf einer nachvollziehbaren Dokumentation und kartografischen Darstellung über die eingesetzte Technik, über die Durchführung der Räumung, der gefundenen Kampfmittel, des erreichten Räumstandes sowie der ausdrücklichen Freigabeerklärung.

Die hier ausgewiesenen Flächenkategorien sind den Munitionsbelastungsgraden B und C der Bundeswehr (s. ZDv 44 / 11) zuzuordnen. Eine genaue Zuordnung kann erst nach einer Technischen Erkundung erfolgen. Die oben genannten Konventionen gelten sinngemäß.

 

8 Dokumentation

Der Bewertung kommt bei der Phase A eine grundlegende Bedeutung zu. Sie bestimmt Art und Umfang und damit auch Kosten von Folgemaßnahmen. Die Ergebnisse der Untersuchungen und die darauf basierende Bewertung sind dementsprechend ausführlich zu beschreiben und kartografisch zu dokumentieren. Empfehlungen für weitere Maßnahmen sind auszusprechen und erste Lösungsmöglichkeiten zu unterbreiten. Die Dokumentation richtet sich nach den Anforderungen der TS A-9.2.9 „Anforderungen Bericht Phase A“.


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